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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 14.11.2001
Aktenzeichen: 14 U 43/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 273
ZPO § 314
ZPO § 539
BGB § 823
BGB § 254
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

14 U 43/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 14. November 2001

verkündet am 14. November 2001

in dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. Oktober 2001 durch

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 15. März 2001 nebst dem ihm zu Grunde liegenden Verfahren aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Potsdam zurückverwiesen.

Gerichtskosten werden für das Berufungsverfahren nicht erhoben.

Tatbestand:

Der Kläger macht Schadenersatz und Schmerzensgeld gegen den Beklagten aus einem behaupteten Unfallgeschehen geltend, das sich am 26. September 1999 gegen 15.00 Uhr im Treppenaufgang des im Miteigentum des Beklagten stehenden Gebäudes ...straße ... in P... ereignet haben soll. Eigentümer des Hauses ...straße ... sind der Beklagte und H... D... in Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die in dem Haus bis in den September 1999 hinein Umbau- und Sanierungsarbeiten ausführen ließen. Der Hausflur des Mietobjekts, der dunkelgrün angestrichen ist, wird unter anderem im Bereich des zweiten Obergeschosses durch natürliches Oberlicht und ferner durch Tageslicht erhellt, das durch ein zum Hof des Gebäudes gelegenes kleines Fenster hineingelangt. Im Übrigen befindet sich auf jedem Treppenpodest eine elektrische Beleuchtungsanlage mit jeweils 60 Watt-Glühbirnen.

Der Kläger ist Invalidenrentner und aufgrund einer Beinverkürzung seit 1993 gehbehindert; beim Treppensteigen ist er auf fremde Hilfe jedoch nicht angewiesen. Am genannten Tage begab sich der Kläger in das streitbefangene Gebäude, in welchem die von ihm als Zeugin benannte Frau B..., seine Mutter, im zweiten Obergeschoss ohne schriftlichen Mietvertrag eine Wohnung nutzt.

Der Kläger hat mit der Klageschrift unter Beweisantritt vorgetragen, er sei am Unfalltage im Treppenhaus des genannten Hauses "beim Betreten von der vierten/fünften Treppenstufe (ausgerutscht) und ... dabei die Treppe hinab bis auf den Treppenboden des 1. OG (gefallen)". Ursächlich sei dafür zum einen die schlechte Beleuchtung des Treppenaufgangs zum zweiten Obergeschoss gewesen; die Glühbirne in der Lampenfassung über dem zweiten Treppenpodest habe gefehlt. Die Beleuchtung im Bereich des ersten Treppenpodestes habe vor ihm einen Schatten verursacht, der auf die ansteigenden Treppenstufen gefallen sei. Die Sichtverhältnisse im Treppenaufgang seien zudem wegen des dunkelgrünen Anstrichs und dadurch beeinträchtigt gewesen, dass es an diesem Tage stark bewölkt gewesen sei und geregnet habe. Der Beklagte sei bereits vor dem Unfall mehrfach, zuletzt in einem Gespräch am 10. September 1999, aufgefordert worden, die Glühbirne des 2. Treppenpodestes zu ersetzen. Der Sturz sei zudem auch darauf zurückzuführen, dass bei den Sanierungsarbeiten anfallender Bauschutt auf den Treppen liegen geblieben sei. Die Treppenstufen hätten erhebliche Abnutzungserscheinungen aufgewiesen; sie seien "mittig stark abgetreten" gewesen. "Durch das Zusammenspiel von abgenutzten Treppenstufen und einem bauschuttbedingten schmierigen Belag (habe) die Treppe nicht die erforderliche Rutschfestigkeit" aufgewiesen. Als er die Treppenstufe betreten habe, sei er weggerutscht und gefallen.

Aufgrund des Sturzes habe er eine mediale Schenkelhalsfraktur rechts mit Schwellungen und Druckschmerz im Bereich des rechten Hüftgelenks und dadurch bedingter Bewegungseinschränkung erlitten, die vom 26. September bis 15. Oktober 1999 im Klinikum "..." in ... und anschließend vom 18. Oktober bis 08. November 1999 in der Reha-Klinik "..." in ... behandelt worden seien. Am 18. Oktober 1999 habe er mit Hilfe von Unterarmstützen sein rechtes Bein wieder minimal mit 15 kg belasten können. Seitdem sei er zweimal, seit Februar 2000 dreimal wöchentlich in verschiedenen Reha-Zentren ambulant therapiert worden. Gleichwohl seien ihm als Unfallfolgen ein verkürztes Bein sowie dauernde Rückenschmerzen verblieben; eine Hüftkopfnekrose mit der Folge eines späteren Hüftgelenkersatzes sei zu befürchten.

Ihm, dem Kläger, sei ein materieller Schaden von insgesamt 1.852,98 DM entstanden. Dieser setze sich aus folgenden Einzelpositionen zusammen:

a) Eigenanteil für Klinikaufenthalt "..." vom 26.09. bis 09.10.1999: 238,00 DM

b) Kosten für Eiskrallen der Unterarmgehstützen: 29,90 DM

c) Eigenanteil für Pflegeleistungen der Volkssolidarität: 110,58 DM

d) Kosten für die Erstellung des ärztlichen Erstberichts vom 11.11.1999: 157,20 DM

e) Eigenanteil für medizinische Trainingstherapie: 80,00 DM

f) Kosten für Haushaltshilfe im Zeitraum November (1999) bis Januar (2000): 51,04 DM + 127,60 DM + 102,08 DM

g) Eigenanteil für weitere Pflegeleistungen der Volkssolidarität: 229,68 DM

h) Weiterer Eigenanteil für medizinische Trainingstherapie: 480,00 DM

i) Weiterer Eigenanteil für medizinische Trainingstherapie: 80,00 DM

j) Eigenanteil für orthopädische Hilfsmittel und weitere stationäre Behandlung im Klinik "...": 166,90 DM.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.852,98 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 14. April 2000 aus 896,40 DM, aus 709,98 DM seit dem 24. Oktober 2000 und aus 246,90 DM seit dem 14. Dezember 2000 sowie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen hierauf seit dem 8. Dezember 1999 zu zahlen

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat seine Passivlegitimation geleugnet und im Übrigen bestritten, dass der Kläger in seinem Gebäude gestürzt sei. Das Treppenhaus sei nicht unzureichend beleuchtet gewesen. Er selbst habe nach einer entsprechenden Mängelrüge von Frau B... eine defekte Glühbirne im Bereich des Podestes des zweiten Obergeschosses bereits Wochen vor dem angeblichen Unfallgeschehen austauschen lassen. Spätere gleichartige Mängelrügen hätten weder Frau B... noch sonstige Nutzer des Objekts ihm zur Kenntnis gebracht. Die Treppe des Hausflures sei auch nicht infolge der stattgefundenen Sanierungsarbeiten verschmutzt gewesen. Die von ihm, dem Beklagten, beauftragte Baufirma habe den Hausflur täglich von Bauschutt geräumt sowie die Treppen im gleichen Zeitabstand gefegt. Außerdem seien die Stufen der Treppe nicht abgenutzt gewesen. Bestritten werde weiter, dass die vom Kläger vorgelegten Lichtbilder das Treppenhaus des Gebäudes ...straße ... zeigten; im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass sie schon nach dem Klägervortrag nicht den Zustand am angeblichen Unfalltage zeigten. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass der Kläger auf der Basis des von ihm vorgelegten ärztlichen Berichts selbst aufgrund der Beinverkürzung eine "Anlage für drohende Unfälle" gehabt habe, die er sich ggfs. anspruchsverkürzend zurechnen lassen müsse. In diesem Zusammenhang spreche der erste Anschein dafür, dass der angebliche Unfall des Klägers auf seine Gehbehinderung zurückzuführen sei, der Kläger also die erforderliche Sorgfalt beim Hinaufsteigen der Treppe nicht beachtet habe. Schließlich bestreitet der Beklagte, dass die als materieller Schaden geltend gemachten Kosten infolge des behaupteten Unfallgeschehens entstanden und vom Kläger getragen worden seien.

Das Landgericht Potsdam hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: "Der Kläger hat schon nicht hinreichend vorgetragen, dass die von ihm geltend gemachten Unterlassungen wegen der Treppenhausbeleuchtung und des Bauschutts für seine Verletzung kausal geworden sind. Selbst wenn die Treppenhausbeleuchtung unzureichend oder fehlerhaft gewesen sein sollte, streitet kein Beweis des ersten Anscheins für einen Kausalzusammenhang zwischen diesem Mangel und einem Sturz auf der Treppe (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. Juli 1999, 22 U 143/96). Ist der Geschädigte die Treppe hinaufgestiegen und hat dabei eine Stufe verfehlt bzw. ist von einer Stufe abgerutscht, lässt dies nämlich wegen der stets damit verbundenen Gefahr keinen sicheren Schluss auf bestimmte Schadensursachen zu. Dies gilt insbesondere, wenn der Geschädigte mehrere denkbare Ursachen in einem nicht näher erläuterten Zusammenhang darstellt und weitere mögliche Ursachen wie zum Beispiel ein einfaches Versehen nahe liegen. Für einen konkreten Ursachenzusammenhang hat der Kläger aber nichts vorgetragen. Insbesondere hat der Kläger nicht vorgetragen, ob er auf der vierten oder fünften Stufe der Treppe vom ersten zum zweiten Obergeschoss gestürzt ist, welche konkrete Verschmutzung sich auf einer dieser Stufen befunden haben soll und wie die geltend gemachte Abnutzung zum Unfall geführt haben soll. Es ist auch nicht erkennbar, ob und in welcher Weise die fehlende Ausleuchtung ursächlich gewesen sein soll. Mangels eines derartigen Vortrages zu dem konkreten Ablauf lässt sich auch aus dem Geschehen nicht auf die Ursächlichkeit zurückschließen. Der Sturz an sich lässt aber, auch wenn der Kläger, wie er geltend macht, wegen seiner Behinderung stets besonders vorsichtig ist, wegen der stets mit Treppen verbundenen Gefahr des Sturzes keinen sicheren Schluss auf eine bestimmte Schadensursache zu. Gegen eine Unfallursächlichkeit spricht auch, dass nach dem von dem Kläger zu den Akten gereichten ärztlichen Gutachten auf die Frage, ob die körperliche Behinderung des Klägers für den Sturz ursächlich gewesen sein könnte, erst geschlossen werden kann, wenn ein Unfallrekonstruktionsgutachten vorliegt."

Mit seiner form- und fristgerecht eingereichten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Seinen bisherigen Vortrag ergänzend beruft er sich auf einen Verstoß des Landgerichts gegen die zivilprozessuale Aufklärungspflicht; die Entscheidung sei für ihn überraschend gekommen und verletze daher seinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Erst innerhalb der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2001 habe das Gericht darauf hingewiesen, dass es den klägerischen Sachvortrag zu den haftungsbegründenden Tatsachen für unzureichend erachte. Sodann habe es die Klage abgewiesen, ohne seinen ergänzenden Sachvortrag im Schriftsatz vom 27. Februar 2001 zu berücksichtigen bzw. dessen Nichtberücksichtigung zu begründen. Er meint, das Landgericht habe, soweit es einen zu seinen Gunsten entsprechenden Anscheinsbeweis zur Unfallursächlichkeit verneint habe, übersehen, dass im Fall der zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf mehrere alternative Unfallursachen vorgetragen worden seien; er selbst habe sich demgegenüber gerade auf kumulative Schadensursachen bezogen. Im Übrigen wiederholt und vertieft der Kläger sein früheres Vorbringen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an ihn 1.852,98 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 14. April 2000 aus 896,40 DM, aus 709,98 DM seit dem 24. Oktober 2000 und aus 246,90 DM seit dem 14. Dezember 2000 sowie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen hierauf seit dem 8. Dezember 1999 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und bestreitet substantiiert den Sachvortrag des Klägers.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Parteien verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel hat - vorläufigen - Erfolg.

I.

Das angefochtene Urteil ist gemäß § 539 ZPO aufzuheben und die Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen. Denn das Verfahren vor dem Landgericht leidet an wesentlichen Mängeln, und es ist nicht sachdienlich, den Rechtsstreit durch den Senat zu entscheiden (§ 540 ZPO).

Der Kläger rügt zu Recht, dass das Landgericht seine Aufklärungspflicht verletzt und damit gegen elementare zivilprozessuale Grundsätze verstoßen hat. Der Sachakte lässt sich entnehmen, dass das Landgericht, wie vom Kläger vorgetragen, auf seine Bedenken zur Schlüssigkeit der Klage erstmals im Verhandlungstermin vom 20. Februar 2001 hingewiesen hat. Wird aber ein Hinweis erteilt, dann muss der Partei auch Gelegenheit gegeben werden, sich dazu - wenn erforderlich, nach Rücksprache mit der Partei - zu äußern (Zöller ZPO 22. Aufl. § 539 Rn. 15). Wegen mangelnder Substantiierung darf die Klage grundsätzlich nicht abgewiesen werden, bevor das Gericht den Kläger von Amts wegen (§§ 139, 278 Abs. 3 ZPO) auf den Mangel der Klagebegründung hingewiesen und auf die Ergänzung des Sachvortrages hingewirkt hat (BGH Rpfl 1977, 359, 360; FamRZ 1984, 165; NJW 1986, 776, 777; NJW-RR 1987, 797; MDR 1989, 347; NJW-RR 1991, 256; Zöller aaO Rn 11). Die Erörterung im Termin zur mündlichen Verhandlung genügte diesen Anforderungen nicht; das Gericht hätte den Kläger zur Ergänzung auffordern und ausreichend Zeit dafür gewähren müssen (BGH NJW 1986, 776, 777; Senatsurteil vom 20.08.2000 in der Sache 14 U 56/00). Wäre der Kläger im Übrigen, wie es § 273 ZPO gebietet, vor dem Termin rechtzeitig auf den aus der Sicht der Kammer erforderlichen ergänzungsbedürftigen Sachvortrag hingewiesen worden, dann hätte er die Möglichkeit gehabt, den Vortrag - wie in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 27. Februar geschehen - rechtzeitig zu ergänzen.

Es kommt Folgendes hinzu: Die Hinweispflichten sind spezielle Ausprägungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör, die auch im Anwaltsprozess gelten (BGH RPpfl. 1977, 359, 360; NJW-RR 19997, 441; Zöller aaO § 139 Rn 13 mwN). Deshalb darf das Gericht seine Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt, den die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter übersehen hat, nur stützen, wenn es ihm Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat (§ 278 Abs. 3 ZPO). Das gilt um so mehr, wenn - wie hier - der Kläger zu Recht davon ausgehen konnte, dass die Kammer seinen Sachvortrag zum Haftungsgrund nicht als unsubstantiiert ansehen würde. Er hatte zu den behaupteten Ursachen des Unfalls jedenfalls so viel vorgetragen, dass sich die den Klageanspruch verneinende Entscheidung als unzulässige Überraschungsentscheidung darstellte; der Kläger hatte mit ihr erkennbar nicht gerechnet und musste auch nicht mit ihr rechnen.

Schließlich weist das Urteil auch in der Behandlung des klägerischen Sachvortrags Rechtsfehler auf, die eine Zurückverweisung rechtfertigen. Die Kammer geht in den Entscheidungsgründen davon aus, dass "der Kläger (insbesondere) nicht vorgetragen (hat), ob er auf der vierten oder fünften Stufe der Treppe vom ersten zum zweiten Obergeschoss gestürzt ist." Das steht im eindeutigen Widerspruch zum Tatbestand, in dem der Sachvortrag des Klägers wie folgt wiedergegeben wird: "Der Kläger macht geltend, er sei im Treppenhaus auf der Treppe vom ersten zum zweiten Obergeschoss auf der vierten/fünften Treppenstufe ausgerutscht und von dort auf den Treppenboden des ersten Obergeschosses gestürzt." Das ist eine grob verfahrenswidrige Behandlung von Parteivorbringen. Abgesehen davon, dass der Tatbestand insoweit den Parteivortrag des Klägers zutreffend wiedergibt, liefert der Tatbestand des Urteils gemäß § 314 ZPO Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Kammer in den Entscheidungsgründen diesen eindeutigen Sachvortrag offensichtlich sachwidrig und damit objektiv willkürlich gewürdigt hat, was als Verstoß gegen das Willkürverbot zur Aufhebung führen müsste (BVerfG 57, 39, 42). Denn für die Annahme eines wesentlichen Verfahrensmangels reicht die Feststellung aus, dass das Landgericht jedenfalls den Kern des Parteivorbringens grob verkannt (BGH VersR 1991, 72, 73; Zöller aaO. Rn 10) oder - wie hier - in das Gegenteil verkehrt hat.

Die mangelhafte Prozessführung und fehlerhafte Behandlung von Parteivortrag hat sich für die Entscheidung ursächlich ausgewirkt. Es liegt nahe, dass die Kammer bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu einer anderen Entscheidung, insbesondere zur Anordnung der Beweisaufnahme gekommen wäre. Denn dass der Beklagte nach dem für die Schlüssigkeitsprüfung als wahr zu unterstellenden Sachvortrag des Klägers nach § 823 BGB wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht - vorbehaltlich einer Prüfung nach § 254 BGB - dem Grunde nach haftet, kann nicht zweifelhaft sein. Das gilt auch für die Frage der Ursächlichkeit der behaupteten Unterlassungen für den eingetretenen Erfolg. Erst durch eine Beweisaufnahme wird sich der Hergang des Geschehens feststellen und klären lassen, ob der Sturz von der Treppe, sofern er bewiesen ist, auch auf ein Verschulden des Beklagten zurückzuführen ist oder sich allein aus dem Verantwortungsbereich des Klägers erklärt.

Die schwerwiegenden Verfahrensfehler haben die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur Folge. Der Senat hält es nicht für sachdienlich, selbst eine Sachentscheidung zu treffen (§ 540 ZPO). Die Sache ist - wie ausgeführt - noch nicht spruchreif. Zwar trifft den Kläger schon nach seinem eigenen Vortrag ein Mitverschulden an dem von ihm behaupteten Unfall, und es ist nicht ausgeschlossen, dass die Klage abzuweisen sein wird, weil dieses Eigenverschulden - wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert worden ist - so erheblich ins Gewicht fällt, dass eine Haftung des Beklagten ausscheidet. Das hängt gemäß § 254 BGB indessen von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teile verursacht worden ist. Sollte bewiesen werden, dass der Kläger auf der Treppe gestürzt ist und dafür auch die von dem Beklagten zu verantwortenden Lichtverhältnisse, der Zustand der Treppe und der bauschuttbedingte schmierige Belag ursächlich gewesen sind, wird eine Haftung des Beklagten trotz des erheblichen Mitverschuldens des Klägers dem Grunde nach zu bejahen und für den geltend gemachten materiellen Schadensersatzanspruch eine Quote gemäß § 254 BGB zu bilden sein. Anders könnte es sich verhalten, wenn beispielsweise lediglich einer fehlenden Lichtquelle Mitursächlichkeit zukäme; in diesem Fall wäre eine Abweisung der Klage nach § 254 BGB denkbar. Die Sachentscheidung setzt deshalb eine umfangreiche Beweisaufnahme zum Grund und zur Höhe des Schadensersatzanspruchs voraus. Auch liegt eine Augenscheinseinnahme zu den Lichtverhältnissen und der behaupteten Abnutzung der Treppenstufen, die am Ort des Landgerichts durchzuführen wäre, nahe.

II.

Der Senat ordnet mit Rücksicht darauf, dass die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht auf einem schwerwiegenden Verfahrensfehler beruhen, an, dass Gerichtsgebühren nicht erhoben werden (§ 8 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 GKG auf 56.852,98 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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